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aus: radikal Nr.97 Extra, 8/1981

Neue Thesen zur Autonomen Bewegung ...   1981

Zur Einführung

untenstehende thesen sind eine Weiterentwicklung eines von ein paar automaten (autonomen) in padua gemachten thesenpapier's, das die berliner bewegung inhaltlich ein wenig anskizzieren sollte. um das Papier gab es in letzter zeit öfters ziemlich kontroverse diskussionen. uns ist klar, daß die thesen absolut unvollständig sind, noch massig schwache oder gar falsche punkte drin sind; andererseits wollen wir auch kein "manifest der berliner autonomen" fabrizieren. wir wollen das papier einfach mal in die bewegung werfen, um ne inhaltliche diskussion über unser selbstverständniss als autonome zu entfachen, es wird eh auf der eröffnungsveranstaltung zur autonomie-reihe am 30.8. um 13.00 uhr im KuKuCK und auf der autonomie-diskussion am 8.9. im drugstore bequatscht..

1. Wir kämpfen für uns und führen keine Stellvertreterkriege. Alles läuft über eigene Teilnahme, Politik der 1. Person. Wir kämpfen nicht für Ideologien, nicht fürs Proletariat, nicht fürs Volk, sondern für ein selbstbestimmtes Leben in allen Bereichen, wohl wissend, daß wir nur frei sein können, wenn alle anderen auch frei sind. Volle regionale, kulturelle und individuelle Autonomie für alle!

2. Keinen Dialog mit der Macht! Wir stellen nur Forderungen, die die Macht nicht erfüllen kann oder die ganz "irrational" sind. Durch innerhalb des Systems erfüllbare Forderungen wäre das System nur verbessert und als (wohlwollende) Macht bestätigt.

3. Die ständige latente Drohung mit Knast und deren Anwendung ist eine entscheidende Existenzbedingung dieses Systems, unser Kampf richtet sich primär gegen jede Differenzierung im Knast. "Normalvollzug für alle" als erster Schritt in Richtung "Freiheit für alle".

4. Durch den relativen gesellschaftlichen Reichtum haben wir die Möglichkeit, uns der Arbeit weitgehend zu entziehen. Somit stellt die Arbeit für uns keinen Zusammenhang dar, wo wir uns kennengelernt haben oder der zum Inhalt unseres Kampfes wird. Zusammengekommen sind wir über Subkultur, und diese stellt auch den Ausgangspunkt für unseren Kampf gegen den Staat dar.

5. Wir haben einen "diffusen Anarchismus" im Kopf, sind aber keine traditionellen Anarchisten. Die Begriffe Marxismus, Sozialismus und Kommunismus beinhalten für uns nach allen ihren Theorien und Praktiken den Staat und können somit von uns, auch als "Zwischenstufe" nicht akzeptiert werden. Wir glauben auch nicht, daß es eine "Eigentlichkeit" der obigen Begriffe gibt, die immer nur verfälscht worden ist. Auch mit dem Begriff des Anti-Imperialismus, so wie er vertreten wird, können wir uns nicht identifizieren, da er bei der Forderung nach nationaler Unabhängigkeit stehenbleibt und somit den Staat in keiner Weise in Frage stellt.

6. Es gilt, dem System überall punktuell Gegenmacht entgegenzusetzen. Diese Gegenmacht darf sich allerdings nie totalisieren oder vereinheitlichen, darf nie als die Gegenmacht institutionalisiert werden, sonst wäre die Tendenz für einen neuen Staat im Keim bereits wieder angelegt. Der Ausgangspunkt für die Bildung einer Gegenmacht ist der Staat, nicht der Wunsch nach Herrschaft; somit löst sich die Gegenmacht dialektisch mit der Macht auf - Gibt es keine Macht mehr, brauchen wir auch keine Gegenmacht. Keine Macht für Niemand!

7. Westberlin hat eine sehr weit entwickelte alternative Subkultur, deren Struk turen wie Kneipen, Buchläden, Druckereien, Werkstätten etc. von der gesammten Linken genutzt werden. Die Alternativen versuchen, sich innerhalb des bestehenden Systems Freiräume zu erobern, um darin eine andere Kultur und eine andere Ökonomie aufzubauen, stoßen dabei jedoch immer wieder auf vom Kapital vorgegebene gesamtgesellschaftliche Grenzen. Auch unser Kampf geht im Moment meist nur um die Eroberung und Verteidigung von Freiräumen, dies kann und darf aber nie unser Ziel sein. Aber je mehr Freiräume wir gewinnen können, desto besser ist unsere Ausgangsbasis, um den Staat und das System zu stürzen und im Meer der Geschichte zu versenken. Freiräume bedeuten ein punktuelles Außerkraftsetzen des Staates, aber gleichzeitig kann der Staat durch das ghettoisierte Zulassen von Freiräumen sozialen Widerstand kanalisieren. Die deutsche Sozialdemokratie versteht es in den letzten Jahren, die Alternativszene als Experimentierfeld für soziale und technische Probleme begreifend, diese gezielt zu subventionieren und deren Ergebnisse teilweise zu integrieren - die Alternativszene als Diagnose- und Therapiefeld der kranken kapitalistischen Gesellschaft.
Politische Aktivitäten entwickeln die meisten Alternativen nur, wenn sie ihre Freiräume bedroht sehen oder wenn der zunehmende ökologische Ausverkauf ihr Überleben/ Perspektive in Frage stellt. Dabei schließen sie eine Zusammenarbeit mit der Macht nicht grundsätzlich aus. Durch diese Orientierung auf ein anderes Leben innerhalb des bestehenden ergibt sich ein latentes Spannungsfeld zur radikalen/autonomen Linken, deren Orientierung hauptsächlich darauf gerichtet ist, das Bestehende zu beseitigen. Inhaltliche Diskussionen zwischen Alternativen und Autonomen finden nur sehr selten statt, was unter anderem darauf zurückzuführen ist, daß die Autonomen oft kein formuliertes oder zumindest kein einheitliches Selbstveständnis haben.
Gerade in der Häuserbewegung ist der Konflikt offen ausgebrochen: Der große Teil der alternativ orientierten Hausbesetzer betrachtet die Häuser als Freiräume, in denen sie ein anderes (Über-) leben entwickeln wollen. Dabei arbeiten die meisten auf eine Legalisierung hin - für den Preis der Anerkennung der Macht. Die Autonomen dagegen erklären die Häuser für enteignet und wollen sie nicht zum Mittelpunkt ihres Lebens machen, sondern zum Ausgangspunkt um weiterzukämpfen.
Trotz dieser teilweise grundsätzlichen Differenzen kommt es immer wieder zu fruchtbaren Aktionseinheiten und Bündnissen.
Wir lehnen eine Selbstverwaltung des Elends und der sozialen Krise ab, d.h. wir würden z.B. nie ein Selbsthilfeprojekt für Arbeitslose machen. Hier ist für die Alternativen nichts weiter als eine Falle aufgestellt. Sie sollen sich in den Randbereichen der Macht und ihrer Verwaltung beteiligen - letztendlich, um das System zu stabilisieren.

8. Nicht einig sind wir uns darüber, ob wir eine Revolte oder eine Revolution wollen. Ein paar wollen´ne permanente Revolution. Der Rest meint, das könnte man dann gleich´ne permanente Revolte nennen. Revolution ist für sie ein Fixpunkt, ab dem dann angeblich das Reich der Freiheit da ist, und das gibts ihrer Meinung nach nicht. Vielleicht ist Freiheit nur der kurze Moment, wo der Pflasterstein in die Hand genommen wird, bis zum Zeitpunkt, wo er auftrifft, d.h. der Moment der Veränderung, der Grenzüberschreitung, der Bewegung. Einig sind wir uns darüber, daß wir den Staat nur zerstören und uns ihm gegenüber nicht konstruktiv formulieren wollen.

9. Wir haben keine Organisation an sich. Unsere Organsiationsformen sind alle mehr oder weniger spontan. Besetzerrat, Telefonkette, Autonomen-Plenum und viele, viele kleine Grupen, die sich entweder kurzfristig zusammensetzen, um irgendwelche acions zu machen, oder langfristige Gruppen die Sachen wie Zeitungen. Radios ode irgendwelche illegalen actions machen. Es gibt keinerlei anerkannte Hierarchie. Die Bewegung hat bis heute noch keinen einzigen Exponenten hervorgebracht, wie z.B. Dutschke, Cohn-Bendit, Negri etc.

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