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aus: radikal Nr.98, 9/1981

NEGRI IK HÖR DIR TRAPSEN

Zur Kritik der Kritik oder das Elend der kritischen Kritik

Nicht nur eine Polemik

Das die Thesen aus der radikal sofort kritisiert werden müssen, ergibt sich aus ihnen selbst. Allerdings nicht aus ihrer Qualität.
Also machten sich Autonome ans Werk und überprüften die 10 Thesen eine nach der anderen auf ihre logische Konsistenz. Daß sie Unwissen und Ignoranz zuhauf aufspüren würden, war zu erwarten. Ob aber ihre Argumentation fruchtbringend wirkt, möchten wir bezweifeln. Die antörnende Wirkung der reinen Negation war schon immer begrenzt.

Die radikal will Diskussion entfachen, das Feuer kann sie haben.

"Kein Dialog mit der Macht". Soso! Wer dieser These zustimmt, soll uns mal erklären, wie er sich durchschlägt durchs Leben in der heutigen Zeit. Vom Klauen allein lebt wohl keiner auf Dauer. Der Grundfehler der radikalen ist der, daß die ökonomische Basis oder die soziale Frage einfach ausgeklammert wird. Ihr glaubt euch der Arbeit "weitgehend" entziehen zu können. "Befreiung von der Arbeit ist eine der Grundvoraussetzungen für die Freiheit des Individuums", schreibt ihr in euren Thesen. Als individuelle Lösung bedeutet dieser Gedanke Ausstieg aus dem Klassenkampf und Einstieg in die Logik des Staates. Aber die Realität ist noch härter. Oder was sollen wir den chilenischen Genossen erzählen, der von uns eine Stellenanzeige übersetzt haben will, da er zur Zeit frei ist, frei von Arbeit und frei von Brot. Nach eurer Logik hätten wir dem chilenischen Arbeiter klar machen müssen, daß es eine ausgemachte Blödheit ist, Arbeit zu wollen und Arbeit zu suchen, daß er sich uns anschließen soll, wir würden nämlich grad losziehen zu Kaiser's, zum Klauen.

Eure Theorie ist konterrevolutionär. Ihr verkennt ganz einfach, daß im kapitalistischen System die Masse der Menschen Lohnarbeiter sind und daß sie solange es den Kapitalismus gibt, nie der Dialektik von Reform und Revolution entkommen können. Ihr seht nicht, daß die gegenwärtige Arbeit dadurch bestimmt ist, daß der Arbeiter doppeltes Objekt ist. Er ist Objekt und damit Opfer des Arbeitsprozesses, also der Maschine und des weiteren technischen Systems, und er ist Objekt des Verwertungsprozesses, also der Mehrwertproduktion und der Realisation. Seine Fremdbestimmtheit im Produktionsprozeß kann der Arbeiter nur aufheben, wenn er eine Alternative hat, eine andere Organisation und Form der Arbeit. Diese andere, kommunistische, Form der Arbeit ist gekennzeichnet dadurch, daß der Mensch im Produktionsprozeß Subjekt ist, daß er ihn beherrscht, kontrolliert, reguliert und plant.

Ziel der kommunistischen Arbeitsorganisation ist in letzter Instanz die Aufhebung der Arbeitsteilung, der Konkurrenz und des Zwangscharakters der öffentlichen Organisation. Der Mensch tritt in den bewußt geplanten Stoffwechsel mit der Natur und in den bewußten Zusammenhang mit anderen Menschen. Jeder ist unter anderem auch Arbeiter und leistet je nach Fähigkeit und Bedürfnis die notwendige Arbeit und Mehrarbeit zur Erhaltung und zum Aufbau der kommunistischen Gesellschaft. Befreiung von der Arbeit als Parole ist falsch. Richtig ist die Forderung nach Freiheit von der kapitalistischen Arbeit, oder wie es früher hieß: "Nieder mit dem Lohosystem!"

Zusammengefaßt. Eure Theorie ist organisationsfeindlich, befördert durch ihren rein individuellen Ansatz die Konkurrenz, vergißt die soziale Frage und die materiellen Interessen der Massen auch und gerade im imperialistischen Kontext, ist pseudoundogmatisch und sektiererisch, da ihr euch nur insoweit zu den Linken zählt, wie diese eindeutig gegen den Staat ausgerichtet ist, sie benutzt die Dialektik wie andere den Zauberstab und behauptet den aufgestellten Fallen des Systems zu entkommen, bzw. nach ihr würden die Anderen in sie hineintappen, und entwickelt eine Perspektive für die Praxis, die kein Entrinnen mehr aus eben diesen Fallen zuläßt.

Statt der irrationalen Rationalität des Systems eine Rationalität des Kampfes, die auch die Irrationalität als Mittel einsetzt, entgegenzusetzen und Möglichkeiten für eine solche Politik aufzuzeigen geht ihr lieber euren diffusen Anarchismus zum Besten, addiert ihn mit eurer Konfusion im Bauch und begnügt euch mit Parolen wie "Abschaffung der Politik", zu deutsch "Weg mit dem Klassenkampf".

Wir aber sagen:
Für die Autonomie,
Für den Klassenkampf,
Für den Kommunismus.

gez. Gruppe Berliner Autonome
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