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aus: radikal Nr.98, 9/1981

Autonomie - Sprechblase im Aufwind

Kritik an den Thesen zur Autonomen Bewegung

Radikal sein heißt, das Übel an der Wurzel packen! Diesem Anspruch wird das Autonomiepapier aus radikal Nr.97 nicht gerecht. Unsere Kritik ist nicht die Lust an Kopfwichserei, sondern das theoretische Ernstnehmen eines theoretischen Anspruchs, in welchem Fehler und Unklarheiten stecken.

zur 1. These:
Wer ist "wir" und "uns"? Der Kampf nur "für uns" steht im Widerspruch zu der in der These formulierten Bedingung der Freiheit überhaupt, nach welcher die Freiheit aller anderen Voraussetzung der eigenen Freiheit ist. Also hängt unser Erfolg mit dem Erfolg des Kampfes aller anderen zusammen. Vom "Stellvertreterkrieg" kann keine Rede sein.

Zur 2. These:
Im Zusammenhang mit These 3 läßt die 2. These zwei verschiedene Folgerungen zu: Entweder wird der eigene Anspruch, gar keinen Dialog mit dem Staat zu führen, nicht ernst genommen, da in These 3 die klassisch reformistische Forderung nach "Normalvollzug" auftaucht. Oder die Forderung nach Normalvollzug scheint unerfüllbar und damit irrational - was wir bestreiten. Außerdem ist die krampfhafte Suche nach nicht erfüllbaren Forderungen nicht systemsprengend, sondern führt durch das System der Negation des Systems zum neuen Dogma.

Zur 3. These:
Die These vom Knastkampf als dem Zentrum der Kämpfe kann nicht Grundlage autonomer Politik sein: Die Identität der Bewegung wäre hier nur durch den gemeinsamen Feind (Knastdrohung des Staates) geschaffen, also von außen. Autonomie kann nicht heißen: Bestimmung von außen. Außerdem gibt es den bürgerlichen Staat nicht der Knäste wegen, sondern es gibt die Knäste wegen des Staats, also kännen sie nicht Existenzbedingung des Staates sein.

Zur 4. These:
Was heißt für euch "Arbeit"? Wer produziert denn den relativen gesellschaftlichen Reichtum, von dem ihr leben könnt?
Ein Ausgangspunkt der Argumentation ist die linke Subkultur. Deren Charakteristikum ist gerade Arbeit von geringerer Produktivität und größerer Intensität als in der Restgesellschaft, oftmals ohne ausreichende materielle Existenzbedingungen für die in ihr Lebenden zu bieten. Zur Grundlage einer funktionierenden Subkultur und damit eines weitgehenden "Ausstiegs" aus der kapitalistischen Produktionssphäre wird somit das Jobben. Jobben ohne den Anspruch einer Jobber-Organisation, bzw. vom Jobber-Kampf, führt notwendigerweise zur Vereinzelung im Produktionsprozeß, zur verstärkten Ausbeutung und damit zur Stärkung des Kapitalverhältnisses mit all seinen Folgen (Staat!, Entfremdung etc.). Der Arbeit könnt ihr nicht entfliehen, liebe Freunde!

Zur 5. These:
Entgegen der Behauptung, die Begriffe Marxismus, Kommunismus, Sozilismus besäßen keine "Eigentlichkeit", erhalten sie diese durch die ihnen in der These unterstellten Staatlichkeit, wobei gerade diese Unterstellung falsch ist. Dazu der Meister selbst:
"Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten haben (wird). Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt." (MEW 3, Deutsche Ideologie, S. 35)
Den Anti-Imperialismus als solchen dem Nationalismus gleichzusetzen ist falsch!

Zur 6. These:
Eure 1. Behauptung: Die punktuelle Gegenmacht darf sich wegen der Gefahr einer Staatsantizipation nicht totalisieren. Eure 2. Behauptung: Ausgangspunkt für zu eine erkämpfende Gegenmacht sind Staat und Herrschaft. Aber: Diese jedoch total und totalisiren eben gerade im dialektischen Verhältnis die Gegenmacht. Was im Widerspruch zu eurer 1. Behauptung steht. Wie dabei ein "keine Macht für niemand" rauskommen kann, bleibt ebenso schleierhaft wie das aus dem Zylinder des Zauberers herauskommende Kaninchen.
Ein Rettungsversuch: "Keine Macht für niemand" soll nach folgendem Rezept zustande kommen: Verschwindet der Staat, verschwindet auch die wie immer geartete Gegenmacht, da nicht der "Wille zur Macht", sondern der (Haß auf den?) Staat die Gegenmacht hervorbringt. Wie der "Staat" eine autonome Gegenmacht hervorbringen soll, die sich überhaupt nur in ihrer Entgegensetzung zum Staat bestimmt, bleibt schleierhaft. Unterstellen wir einen Zwischenschritt, dann führte der Wunsch nach selbstbesdtimmten Leben und die Erkenntnis des Staats als Hindernis dafür zur Bildung einer Gegenmacht, um dieses Hindernis zu überwinden. Ziel wäre dann allerdings selbstbestimmtes Leben, nicht die Zerschlagung des Staates. Auch in diesem Fall bleibt die These von der Auflösung der Gegenmacht nach dem Verschwinden des Staates frommer Wunsch.

Zur 7. These:
In dieser These werden richtige Tendenzen benannt, ihre Verabsolutierung aber ist schematisch und verfehlt die Wirklichkeit der Szene, in der der Alternative und der Autonome reinrassig so gut wie nicht vorkommen. So ist beispielsweise eine alternative Sozialarbeit (Knast, Jugend, Drogen, Arbeitslose) zugleich ein Kampf für Veränderung. Sozialarbeit führt nicht notwendig zu sozialer Kontrolle oder "Rerrschaftswissen", sie eröffnet im Gegenteil ein Rekrutierungsfeld für einen darüber hinaus gehenden politischen Kampf. Guckt euch doch mal um! Darüber hinaus ist beispielsweise der Kampf der Ökobewegung gegen AKWs oder der Friedensbewegung gegen Rüstung und Neutronenbombe nicht deswegen falsch, bloß weil das möglicherweise erfolgreiche Resultat des Kampfes nicht gleich den Staat mit "ins Meer der Geschichte" wirft!

Zur 8. These:
Revolution und Freiheit sind Prozesse, und keine Steinwürfe!

Zur 9. These:
Der zwanghafte Versuch, den Kopf in den Bauch zu stecken, ist genauso autoritär, wie die vielgeschmähte Kopfwichserei! Informelle Organisationsformen - egal ob "mehr oder weniger spontan" - (z.B. Besetzerräte, Zeitungen, Kleingruppen etc.) sind nicht notwendigerweise weniger repressiv als formelle Organisationsformen wie Parteien. Die Behauptung es gäbe innerhalb der "Bewegung" keine anerkannten Hierarchien, ist hanebüchen: Wir haben die gleichen Bewegungs-Macker und -Miezen wie anno dazumal.

Zur 10. These:
Lieber einfach voll, als vollautonom.

Wir entschuldigen uns .... nicht für die Mängel unseres Papiers! Und für den Inhalt schon gar nicht!

Mathias

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