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aus: radikal 115/116, April/Mai 1983

Zwischen Lebensgefühl und organisierter Militanz

Vorbemerkung:
In der letzten Nummer verfolgten wir unter der Überschrift Gratwanderungen und Gletscherspalten Entwicklungsspuren organisierter Militanz auf bundesdeutschem Boden (einschl. Westsektoren). Unter Berücksichtigung gegenwärtiger Relevanz konzentrierten wir uns hauptsächlich auf die Revolutionären Zellen.
Es war uns in diesem Artikel sicherlich gelungen, ein gewisses inhaltliches Spannungsfeld zwischen den beiden (nicht nur) von uns diagnostizierten Hauptströmungen innerhalb der RZs zu bestimmen. Hilfsweise hatten wir zwischen der Guerrilla- und der Basisfraktion unterschieden - oder auch zwischen Avantgardisten und Autonomen.
Als ob die Unnennbaren es geahnt hätten - das BKA wird sicher einen anderen Schluß ziehen - erreichte uns 2 Tage nach Erscheinen dieses Artikel ein Positionspapier einer Autonomen Revolutionären Zelle. Eine passendere Fortführung der Diskussion hätten wir uns also kaum denken können, sehen wir einmal davon ab, daß der Schluß unseres lezten Artikels noch eigene Ansprüche unbefriedigt gelassen hat.
Der vorliegende Text skizziert den revolutionären Prozeß - zwischen Identitätskrise und Ökonomie des Wahnsinns - nicht an der Militanz an sich, sondern am Ausdruck befreiter Lebenskraft.
In diesem Sinne: viel Vergnügen!

Der Text:
Wir sind keine geheimnisvollen Guerilleros, deie den Untergrund lieben. Wir sind wie jeder, der von "Reichtum für alle" und von einer klassenlosen Gesellschaft jenseits von Staat, Kapital und Nationalismus träumt. Es gibt natürlich Träumer, die daran glauben, dieses Ziel durch schöne, überzeugende Worte erreichen zu können. Für uns dagegen gibt es neben den Worten auch noch die "Propaganda der Tat", um unsere Träume zu vermitteln und die Schlafenden für den "Kampf um den Reichtum" zu wecken.

Und aus dieser einfachen Tatsache ergibt sich die Notwendigkeit, neben der legalen(verbalen) Propaganda illegale Aktionsformen zu entwickeln. Weil wir weder ans Grrundgesetz noch an die Vernunft der Herrschenden glauben, ist es wohl jedem verständlich, daß wir mit Gewaltfreiheit und Parlamentssitzen nicht zufrieden sind.

Wir sind also eine Gruppe von legalen Autonomen, die in ihren Bereichsinitiativen mit Kugelschreiber, Papier und Gedanken aktiv sind, um in der Dunkelheit die Erfolgschancen politischer Kriminalität zu suchen. Wir sind die RZs, wir haben illegale Kontakte, aber keine festen Strukturen. Autonomie und Revolutionäre Zellen sind nicht das gleiche, aber es gibt eine Menge Paralellen in Theorie und Praxis. In diesem Papier wollen wir versuchen unsere Position zu aktuellen Bezügen wie Autonomie, Anti-Imperialismus, Massenpsychologie, und Illegalität zu formulieren.

Wir denken, daß der Spaß an Militanz und Sabotage nicht ausricht. Wenn wir möglichst lange unseren Spaß im kapitalistischen Alltag erkämpfen wollen, müssen wir eine ständige Rückkopplung unserer Theorie und Praxis mit den realen Verhältnissen im Kopf behalten. Damit wir noch viele schöne Stunden erleben - mit Feuer, Flamme und Zärtlichkeit.

Identitätskrise

Es gab Zeiten in denen die Linke ihre ldentitätskrisen durch Vereinsmeierei zu lösen versuchte. Diese Zeit belangloser Polit-Sekten hat sich zwar z.T. in real effektivere Bewegungen aufgelöst, aber noch nicht viel an echter ldentitätskrise beseitigt. Die revolutionäre Linke kennt kein Land auf der Erde, das ihrer [?] ideologischen Propaganda von Marx oder Bakunin, Lenin, Rosa, Che Guevara und Mao auch nur entfernt entsprechen würde. Alle Ansätze und Hoffnungen auf radikale Veränderung sind in irgendeiner großen Enttäuschung gelandet.

Der realexistierende Sozialismus hat mit seiner verknöcherten und autoritären Bürokratenstruktur (in der SU, China und Cuba) nicht mehr viel mit sozialistischem Befreiungskampf zu tun. Jede Utopie von klassenloser Gesellschaft wird in den sozialistischen Ländern konsequent verhindert: freie Sexualität, freie Arbeitsorganisation, experimentelles Leben. Vor einem solchen Hintergrund steht die revolutionäre Linke mit ihrer Identitätskrise. Da wo es Marx, Mao oder Lenin im Ausverkaufgibt, kann die metropolitane Linke nicht leben - und da, wo das Kapital regiert, werden die Klassiker ganz anders gelesen. Die Geschichte der Niederlagen ist tief im Bewußtsein revolutionären Denken und Handelns verwurzelt. Die Siege im Volkskrieg haben allesamt irgendwelche Marken: ein AKW, Minderheitendiskriminierung usw.

Und durch diese realen Niederlagen revolutionärer Theorie und Praxis im 20. Jahrhundert ist das gesamte sozialistische Lager gespalten und verfeindet; denn wo es vor allem Enttäuschung gibt, steht die Suche nach dem entscheidenden Fehler und die Suche nach einem neuen Weltbild an erster Stelle. Daraus ergibt sich die Tendenz zu politischer Sektiererei und totaler Sprachlosigkeit. Alle klassischen Begriffe wie proletarischer Internationalismus, Kommunismus, Anarchie oder Revolutionärer Klassenkampf stehen als ideologische Relikte vergangener Zeiten und werden von "chaotischen Realitäten" überrannt.

Veränderte Klassenzusammensetzung

Der materielle Ausdruck kapitalistischer Barbarei wird in der sogenannten 3.Welt als Hunger, Krieg und Befreiungskampf noch deutlich, aber in den Metropolen sind die Bedingungen der Barbarei viel zu komplex und unüberschaubar geworden, um eine klare Front zu entdecken, die das System sprengen könnte. Die Entwicklung hin zu diesem homogenen, kapitalistischen "Wohlstandsstaat" hat natürlich Geschichte. Sie ist gekoppelt an eine massivere imperialistische Ausbeutung rohstoffreicher 3.Welt-Länder nach 45, durch den Ausbau multinationaler lnstitutionen des Groß-Kapitals (IWF,NATO...[CFR]) und durch "Sozial-Staatsprogramme" in den Metropolen selbst.

Durch gezielteres und bewußteres Management gelang es dem Kapital weltweit einen gigantischen, neuen Zyklus einzuleiten. In den Metropolen durften die Lohn-Massen ihre Lohntüten füllen, und erkauften sich materiellen Wohlstand durch politischen Reformismus und soziale Verantwortungslosigkeit gegenüber der sog. 3. Welt.

In solchem Kapitalismus nach Keynes müssen Begriffe wie revolutionärer Klassenkampf und proletarischer Internationalismus ihre frühkapitalistische Bedeutung verlieren. Die klassischen Arbeiterkämpfe um mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen in der Fabrik haben nicht nur jede Sprengkraft verloren, das Kapital verfeinerte die Fabrikorganisation dermaßen perfekt, daß gewerkschaftliche Arbeitergruppen zu soliden Stützen und "Sozialpartner" in den Fabriken werden konnten. Die moderne Fabrik des Kapitals wie die Daimler- oder MBB-Werke schießen längst nicht mehr auf ihre strebenden Lohnabhängigen. Sie züchten sich eine regelrechte Arbeiteraristokratie von Facharbeitern und verantwortungsvollen, technischen Eliten, die in konzerneigenen Freizeit- und Ausbildungsheimen ein liebevolles Verhältnis zum Arbeitgeber lernen, jenseits von Rebellion, zuverlässig wie ein privilegierter Beamter.

Daneben steht eine Armada ausländischer, jugendlicher, ungelernter Arbeiter und Jobber, die durch technologisch streng überwachte Arbeitsvorgänge oder rechtlich befristete Arbeitsverträge keine ernsthaften, kollektiven Kämpfe in den Fabriken entzünden sollen. Diese veränderte Fabrikstruktur, diese durch technische Erfindungen im Arbeitsvorgang bedingte Neuzusammensetzung der Lohn-Klasse (z.B durch Wachsen der kapitalistischen Verwaltungsbürokratie) verlangt geradezu, klassische Analysen des Kapitals zu hinterfragen und neue Ansätze zu suchen.

Die rebellischen Randgruppen in den Metropolen und die sabotage-wütenden Jobber in Italiens Fabriken lieferten wichtige Impulse bei dieser Suche. Im metropolitanen Wohlstandstaat findet sich das potentiel revolutionäre Subjekt in den nicht-privilegierten Randgruppen, und von dort aus laufen spontane Explosionen von Rebellion, die organisatorisch keine klare Struktur erkennen lassen, sondern sich punktuell entladen.

Daran sind letztlich auch die italienischen Autonomen gescheitert, die trotz neuer Klassenanalyse beim Aufbau einer neuen Klassenkampf-Organisation in der Isolation landeten. Denn die reformistischen Massen sind nicht an Klassenkampf interessiert und die sabotagegeilen Jobber oder jugendlichen Streetfighter haben nichts gemeinsam mit den reformistischen Massen. [wirklich gar nix? d. S.] Darin liegt die praktische Schwierigkeit jeder revolutionären Praxis in den Metropolen. Das Kapital hat auf der einen Seite die Fabrik perfektioniert und befriedet. Dadurch wude auf der anderen Seite die ganze Gesellschaft zu einer riesigen Fabrik, deren Ausbeutungsterror in jedem Wohnzimmer, in jedem Hochhaus, in jedem Stadtteil, in jeder Schule und in jedem Wald zu sehen ist. Das ist das reale Problem, vor dem alle sozialrevolutionären Konzepte stehen. Während wir die soziale Revolution propagieren genießen die Massen die Bild-Zeitung und würden sich freuen uns zu erschlagen.

In dieser desillusionierten Metropolen-Realität ist die Subkultur als politischer Ausdruck von der Suche nach einem anderen Leben entstanden, jenseits der bürgerlichen Homogenität, als Bruch mit Familie. Sexual- und Arbeitsmoral. Eine ganze Generation tauschte in den 70er Jahren den Fernseher gegen einen Joint ein. Und es sind nach wie vor die Nicht-Integrierten, die Outlaws, die in den Metropolen rebellieren. Die Basis aller revolutionären Kämpfe bis jetzt war die politische Subkultur, alle militanten Kerne schwimmen in dieser Subkultur und brauchen ihre Verweigerung bürgerlicher Normen.
Auf der anderen Seite haben die sozialen Widersprüche auch im metropolitanen Kapital nie aufgehört zu existieren.
Der reformistisehe Sozialstaat hat nur in seiner eigenen Phantasie den Klassenkampf abgeschafft. Der materielle Widerspruch zwischen Kapital/Arbeit bewirkt exakt jene Krisenzyklen von periodischen Zusammenbrüchen, deren Anfang wir z.Z. sehen und für die bürgerliche Denker die Computer oder den Sozialstaat verantwortlich machen. Die reformistische Lohnklasse hat nicht rebelliert, aber sie hat zumindest daraufgeachtet, daß die Lohntüte voll ist.
Die jetzige strukturelle Krise des Kapitals ist nicht das Produkt heimtückisch-raffinierter Computer. Das Kapital setzt seine technologischen Erfindungen immer als Waffen im Klassenkampf ein. Es steigert seinen Profit und Ausbeutungsmöglichkeiten menschlicher Arbeitskraft, während die Lohnabhängigen an mehr Lohn interessiert sind.

Dieser reale Klassenwiderspruch ist die Basis kapitalistischer Ökonomie, nur der Ausdruck wechselt von der friedlichen Fassade bis hin zur sozialen Katastrophe; bis hin zu den militanten Explosionen verfeindeter Interessen, dem Machtkampf um die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums.

Ökonomie des Wahnsinns

Daß dieser Machtkampf und Interessenkonflikt auch in den Metropolen trotz "Sozialpartnerschaft" und Mitbestirnmungsgefasel Realität ist, wird jetzt deutlich. In der strukturellen Krise zeigt sich, was Privateigentum und Großkapital bedeutet. Die Konzerne rationalisieren, kassieren riesige Subventionen rationalisieren weiter, machen pleite (AEG), kassieren wieder Subventionen und rationalisieren weiter. Durch den Einsatz neuer Technologien wird es möglich, mehr und billiger zu produzieren. Dadurch steigt das Warenangebot, während die an technologischen Erneuerungen führenden Konzerne in der kapitalistischen Konkurrenz die Preise unterbieten, kleinere Unternehmen schlucken und ihre Zentralisation ausdehnen. Der Konkurrenzdruck also, der sogenannte freie kapitalistische Warenmarkt bedingt in der Phase verbesserter Produktion eine gigantische Absatzkrise. Deswegen hebt der IMF seine Kredite, die Verschuldung der sog.3.Weltländer steigt, der Geldmarkt bläht sich auf. Die Weltwirtschaft lebt auf Pump, wie ein aufgeblasener Ballon. Inflationäre Tendenzen werden auf dem Rücken der Lohnabhängigen ausgetragen. Das Realeinkommen sinkt, die Kaufkraft fällt, die ökonomische Spirale bewegt sich abwärts.

In dieser Absatzkrise fletscht das Kapital seine agressiven Zähne, um neue Märkte zu erobern. Die Kriegsgefahr und die materielle Destruktivkraft des kapitalistischen Systems steigt zusehends. Die imperialistischen Raubzüge in der 3. Welt haben zu Beginn der 80er bereits wesentlich offensiveren Charakter (Israel, Iran/Irak, Falkland usw.), die Fronten der kapitalistischen Rüstungsexporte werden zusehends breiter und die NATO-Strategen bauen ihre Eroberungspläne konsequent aus. Die ökonomische Strukturkrise des Kapitals steigert die militaristisch-politischen Katastrophen in der 3. Welt, und selbst wenn die Krise und der Klassencharakter durch Arbeitslosigkeit und Sozialabbau auch in den Metropolen deutlicher wird, läuft die materielle Gewalt des Kapitals in der 3. Welt blutigen Amok.
Die Risse von Stabilität in den Metropolen sind vergleichsweise schleichend, in der 3. Welt zeigt die kapitalistische Barbarei jenseits von Entwicklungshilfe ihre Unterdrückungsmentalität.

Massenpsychologie

Die Krisenanzeichen in den Metropolen sind noch lange keine notwendigen Zeichen für eine soziale Revolution. Die materielle Betroffenheit verelendeter Massen z.B: in Asien bewirkt auch noch lange keine soziale Revolution, und ein paar Mark weniger in der Lohntüte oder gesteigerte Arbeitslosigkeit bedeutet noch lange kein notwendiges Aus fürs Kapital.

Erst wenn sich materielle Betroffenheit zu sozialrevolutionärem Bewußtsein umsetzt, beginnt ein aktiver politischer Prozeß und in den Metropolen züchten die Medien einen neuen Nationalismus um eine solche Entwicklung zu kanalisieren. Der Rassismus und sein sexualfeindlicher Inhalt erhalten ganz neuen Auftrieb. Mechanisierte kleinbürgerliche Wertsysteme werden Solide Stützen der Herrschenden bleiben, werden unzufriedene, unpolitische Bürger zu aktiven Rassisten mobilisieren, die das Vaterland und damit die herrschenden Interessen zu retten versuchen. Die massenpsychologische Macht der Medien, ihre Politik mit dem realen Sexualfrust der Kleinbürger müssen wir in unsere Strategie mit einbeziehen. (Phantasievolle Aktionen gegen die patriarchalische Moral, für freie Sexualität, gegen Kirche und Kleinfamilie.)

Diese schon immer wichtigen Inhalte der politischen Subkultur (Verweigerung stupider bürgerlicher Sexual- und Arbeitsmoral) gilt es, gerade jetzt deutlicher herauszuarbeiten, und mit der Politisierung unzufriedener Arbeitslosen zusammenzubringen. Es nützt nicht viel die Barbarei von Staat und Kapital allgemein und soziologisch zu erklären. Der Rassismus hat keine rationale Basis, er ist ein Ventil für realen Haß, der die Machtverhältnisse und autoritären Strukturen im eigenen Alltag auf andere projeziert, um den eigenen Alltag und das individuelle Bewußtsein zu retten. Spätestens die Existenz von faschistischen Punks sollte uns zeigen, wie wichtig es ist, die bürgerliche Moral als eine soldatische zu entlarven, zu zeigen, daß es an der Kriegsmaschine nichts zu verherrlichen gibt... Die autoritären Strukteren sind in jedem, hier sozialisierten Individuum vorhanden. Der Haß auf Staat, Bullen und Spießer kann schnell auf die Türken umschlagen, oder die Lust an der Hakenkreuzpanik fördern, wenn nicht deutlich wird, daß ein revolutionärer Prozeß nicht an der Militanz an sich, sondern am Ausdruck befreiter Lebenskraft (also qualitative Veränderungen des eigenen Alltags) zu sehen ist.

Die Verhärtung der Militanten versaut eine Menge fruchtbarer Ansätze und schlägt allzu oft in Resignation und passiven Frust um. Wer kennt nicht die ehemals mutigen Kämpfer, die nur noch an den Alkohol oder die Sinnlosigkeit glauben...

Wir müssen wieder deutlich rnachen, daß ein revolutionärer Prozeß nicht vor dem Alltag, vor den eigenen Fehlern und Schwächen haltmachen kann, daß Selbstkritik und Flexibilität absolut notwendig sind, um unpolitische Innerlichkeit und politischen Amok in alle mögliche Richtungen zu verhindern. Der praktische Kampf gegen den Rassismus als offenster Ausdruck bürgerlich-autoritärer Moral verlässt damit auch jenen abstrakten Anti-Imperialismus, jene metropolitane Stellvertreterpolitik für die Befreiungsbewegungen, die über ungenaue politische Solidarität nicht hinausgeht. Internationale (auch militante) Solidaritätsaktionen sind nach wie vor wichtig, aber als alleiniger Schwerptinkt ungeeignet, um Betroffenheit und konkretes, sozialrevolutionäres Handeln hier in den Metropolen auszulösen. Praktischer Kampf gegen Rassismus und Ausländerhaß dagegen, könnten ein ganz neues anti-imp. Bewußtsein vermitteln, und die verschlafene Linke zu neuem Handeln motivieren. Und das ist entscheidend, um soziale Unzufriedenheit nicht in nationalistische Phrasen oder faschistische Ideologien umschlagen zu lassen. (Wie z.B. in GB die Falkland-Euphorie)

Es ist natürlich nicht notwendig, von jedem unzufriedenen Arbeitslosen zu verlangen, in eine Wohngemeinschaft zu ziehen, um sich mit spontanen Streiks oder möglichen autonomen Arbeitskämpfen zu solidarisieren. Aber unsere Experimente von Subkultur aufzugeben, statt aktiv die herrschende Arbeits- und Sexualmoral zu zersetzen, und kollektive Praxis zu propagieren, wird uns einem fundamentalen Umbruch des kapitalistischen Systems kein Stück näherbringen. Die momentane Basis militanter revolutionärer Praxis in den Metropolen ist immer noch die Subkultur, die politisierten und rebellischen Randgruppen.

Spontane, autonome Arbeiter- oder Arbeitslosenkämpfe, die mit dem reformistischen Gewerkschaftsapparat brechen, können diese Basis nur verbessern. Voraussetzung dafür aber ist, gemeinsame Punkte des Angriffs zu finden, eine Bindung herzustellen, ohne die Autonomie der Kämpfe aufzugeben. Eine verbürgerlichte Subkultur würde dort landen, wo die K-Gruppen und die Grünen angekommen sind: in der Isolation oder im Reformismus. Eine fruchtbare Verbindung autonomer Explosionen in den Metropolen dagegen schafft punktuelle Angriffsmöglichkeiten, die ein Aufbrechen der scheinbar homogenen Massenloyalität beschleunigen.

Militante, illegale Kerne sind für einen solchen Zersetzungsprozeß unerlässlich, weil sie verdeutlichen, daß Teilerfolge im Kampf um den sozialen Reichtum gegen den scheinbar allmächtigen Herrschaftsapparat möglich sind. Wenn es diesen Kernen gelingt, autonome Revolte (Häuser-, Arbeitslosenkämpfe, Anti-AKW, Anti-NATO, Ökokämpfe) durch fantasievolle Aktionen zu ergänzen, wird sich das Konzept revolutionärer Selbstorganisation jenseits von Gut und Böse weiterverbreiten, und der Kampf um die Köpfe wird der bürgerlichen Massenpsychologie Einflußbereiche entziehen.

Etwas anderes allerdings können wir im Moment nicht erwarten, selbst der tollste Anschlag sollte nie darüber hinwegtäuschen, daß die soziale Revolution noch lange nicht auf der Tagesordnung steht. Die militante Zersetzung von Massenloyalität kann einen solchen Prozeß nur verbreitern und Ansatzpunkte gegen die scheinbare Allmacht eines lebensfeindlichen kapitalistischen Alltags liefern.

Und den Spaß, den die Zerstörung kapitalistischer Barbarei in allen Bereichen bedeutet, brauchen vor allem auch wir selbst, um nicht im Frust unsere Hoffnungen zu beerdigen. Die Erkenntnis, daß Sabotage nicht nur ein politischer, sondern ein therapeutischer Vorgang ist, daß ein erfolgreicher Angriff ein lustvolles und befreiendes Gefühl bedeutet, sollte sich weiter durchsetzen. Gerade in der Wirtschaftskrise werden individuelle Psychotherapien und passive Innerlichkeit schließlich immer mehr zu einer Geldfrage.

Wir empfehlen also Sabotage als lustvolles Mittel zur Selbsterfahrung: billig und für kriminell Begabte sogar gewinnbringend.

In der Produktion kommt die Mikro-Technologie zum Einsatz, um die menschliche Arbeitskraft zu steigern, indem Sabotage im Produktionsvorgang (bewußter oder unbewußter Leistungsverweigerung durch Krankfeiern, Verzögerung, Fehlverhalten usw.) streng überwacht und damit unmöglich gemacht werden soll. Ist also die Computer-Technik in der modernen Fabrik immer eine Waffe gegen leistungs-sabotierendes Arbeiterverhalten gewesen (eben eine Waffe im Klassenkampf), muß auch ihr sonstiger sozialer Nutzen vor allem in der Kontrolle der ,Mißratenen' liegen. Die neue Technologie findet denn auch begeisterte Anwendung bei der inneren und äußeren Aufrüstung. Während die menschenfeindliche Fabrikorganisation versucht, den Unsicherheitsfaktor Mensch auszuschalten, bereitet der kapitalistische Staatsapparat alles vor, um soziale Kämpfe durch Video- und Rasterfahndung im Keim zu ersticken. Je mehr der Sozialstaat in der Krise zerbröckelt, zeigt sich der reine Unterdrückerstaat.

Während die Kriminalitätsrate steigt und rebellisches Verhalten um sich greift, setzt sich die Brutalität der Bullen und Justizschweine im gleichen Maße durch. Der Fahndungsapparat ist zwar technisch perfektioniert, aber die Knäste platzen längst aus den Nähten. Die beste Fahndung kann nicht verhindern, daß ein sinkender Reallohn die kriminelle Nachtarbeit ansteigen läßt. Aus diesem einfachen Grund werden Terror-Urteile und brutale Bullengewalt zunehmen, um abzuschrecken und die herrschenden Eigentumsverhältnisse zu sichern. Die Mißachtung und der Angriff aufs Privateigentum der Millionäre kann politisch bewußt oder unbewußt sein, als politisch bewußter Kampf ist mit keinem ,demokratischen Humanismus' mehr zu rechnen.

Die Haftbedingungen und die Justizmethoden gegen gefangene Genossen aus RAF, RZ oder 2.Juni sprechen Bände darüber. Und die Terrorurteile gegen militante Demonstranten und ihre Bedingungen beweisen das Gleiche.

Die Verfeinerung der Fahndung geht mit einer Verschärfung staatlicher Willkür und brutaler Abschreckungsstrategie einher, um neben sozialdemokratische Intergrationsmodellen genügend Angst- und Ohnmachtsgefühle zur Unterdrückung sozialrevolutionärer Ansätze zur Verfügung zu haben. Der moderne Polizeistaat ist es, der das Krisenmanagement für soziale Konflikte übernommen hat. In den 60er und 70er Jahren hat er sich blendend auf die möglichen Revolten unzufriedener Massen vorbereitet, die in der ökonomischen Fundamentalkrise der 80er vor der Haustür stehen.

Aber wenn tatsächlich Millionenmassen den Herrschaftsapparat zerschlagen wollen, wird auch ein Herold sie nicht aufhalten. Die Repression funktioniert nur reibungslos, wenn noch Massen an die Strukturen glauben und sie tragen. Die Basis sozialrevolutionärer Propaganda (ob legal oder illegal) verbessert sich zwar in der Krise, aber es gibt kein notwendiges Erfolgsrezept. Gerade jetzt ist es deshalb wichtiger denn je, die neuen Überwachungs- und Kontrollpraktiken auf Schwachstrellen zu untersuchen und da zu sabotieren, wo die Verkabelung (z.B. Volkszählung) beginnt. Und gerade jetzt ist es wichtig, neben der legalen Mobilisierung illegalen Widerstand zu erlernen, um nicht total von der wachsenden Willkür und Repression überrascht und vernichtet zu werden. Vergessen aber dürfen wir nicht, daß unsere Illegalität noch keine Massenbasis hat, in der sie schwimmt. Sie ist vor allem defensiv gegen die Repression und subversiv gegenüber der Massenloyalität bestimmt.

Organisationsstrukturen

Von dieser Position aus müssen wir auch unsere Organisationsstruktur, die Kontakte oder punktuelen Koordinationsansätze, legale oder illegale Treffen an sich diskutieren. Legale Treffen von "Symphatisanien des linksterroristischen Umfelds" (also beim VS bekannte Legale) werden natürlich im Zuge der Rasterfahndung zunehmend überwacht. Ob Anti-AKW-Inis, Friedensgruppen, Knastgruppen oder Autonomentreffs. Die Aktivisten werden punktuell herausgefiltert, um die illegalen, autonomen oder revolutionären Zellen aufzuspüren.

Deshalb ist nichts Wichtiger, als auch den legalen Bereich organisatorisch neu zu überdenken. Militante, die in außerparlamentarischen Bereichsinitiativen arbeiten, müssen mit den Kalkulationen und Rastern der Bullen rechnen. Wenn wir nämlich wissen, daß die Bullen mit Rasterarbeiten unsere Bewegungen im Computer speichern, können wir auch die Raster verschleiern ! (Durch verwirrend unlogische Praxis). Dem steigenden Sicherheitsrisiko steht das wachsende Bedürfnis der Autonomen gegenüber, durch regionale Zusammenarbeit politischen Druck zu verschaffen.

Die Zahl der Autonomentreffs und gemeinsamen Vorbereitungen haben überall zugenommen. Die legalen Möglichkeiten mussen immer wahrgenommen werden, und es ist sehr wichtig, die legale Kommunikation der Autonomen zu verbessern.

Weil aber die Autonomen Gewaltfreiheit und einen reformistischen Pakt mit dem Staat (wie z.B. die Grünen) ablehnen, gelten diese Treffs eben als legales "terroristisches Umfeld'. Die BKA-Konstruktion einer legalen RAF, die kollektive Anwendung des § 129a beim Schwarzen Block, beim Berliner Häuserrat usw. zeigen, was bevorsteht. Die Möglichkeit des Staatsapparates, alle legalen Projekte der autonomen Linken zu kriminalisieren, wird bereits jetzt intensiv genutzt. Und an irgendeinem Tage steigender Revolten sind vielleicht alle legalen Strukturen verboten, und die Aktivisten werden gejagt. Auf diesen Tag sollten alle beim VS als "Terrorsymphatisant" und andere Linke vorbereitet sein.

Also unterschiedliche Leute auf Treffen gehen lassen, Treffs als Freundschaftstreffs tarnen, lupenreine, legale Leute kennen, um bei Repression unterzutauchen, Pässe besorgen usw. Diese praktische Vorsorge ist wichtig, wenn Zusammenarbeit nicht vollständigere BKA-Listen und eine mögliche zentrale Verfolgung bedingen soll. Die andere Frage wachsender Koordination ist eine politische, in der die Autonomen gespalten sind. Die Ablehnung jeglicher Koordination bei einigen Militanten, "Bildet Banden", steht oft feindlich der Praxis autonomer revolutionärer Zellen gegenüber. Das spontanesistische Prinzip endet aber oft genug, wenn die Militanz auf der Straße beendet ist. Um die Revolte nicht einschlafen zu lassen, um reale Möglichkeiten und Erfolge sozialrevolutionärer Politik zu zeigen, sind kontinuierliche, militante Kerne nötig. Der Avantgarde-Vorwurf gilt schon deshalb nicht, weil diese Kerne weder eine sozialrevolutionäre Massenbewegung repräsentieren, noch eine zentrale Struktur besitzen. Und wie zentralistische Strukturen in einer sozialrevolutionären Massenbewegung zu vermeiden sind, sollten wir diskutieren, wenn die schlafenden Massen tatsächlich rebellieren. Solche Überlegungen sollten sich dieienigen machen, die an eine soziale Revolution glauben. Hier allerdings sprengt es den Rahmen.

Am Schluß soll das Problem der Zusammenarbeit mit ,politisch Andersdenkenden' zur Sprache kommen. Autonome und Anti-Imp Gruppen haben in letzter Zeit punktuell immer wieder zusammengearbeitet. Daran ist nichts schlecht, und es gibt durchaus Erfolge. Trotzdem brachen beim Thema RAF, Stadtguerrilla dauernd zerfleischende Konflikte zwischen beiden Richtungen aus, und die Autonomen sollten genauso eigene Treffs organisieren um ihre politischen Inhalte zu formuliern. Das bat nichts mit Spaltung zu tun, Aktionsbündnisse sind absolut notwendig; nur sollten wir öfter wissen, was wir eigentlich politisch denken und erreichen wollen, um von den Organisierten nicht überrannt zu werden.

In diesem Bereich fällt außerdem die eigene Bestimmung der Zusammenarbeit. Wann wollen wir mit Reformisten wie den Grünen, Gewaltfreie - und ähnliches zusammenarbeiten, wo nicht. Wo sind bei den Grünen noch alte K-Gruppen Aktive, die unsere Positionen phasenweise teilen, wo revolutionäre Gruppen, mit denen fruchtbare Zusammenarbeit möglich ist. Das gilt nicht nur für legale Zusammenarbeit. Die Repression steigt gegen alle linksradikalen Tendenzen an (ob in der grün-alternativen Bewegung, im Anarcho-Autonomen-Lager). Wenn z.B. Aktive der eigentlich reformistischen, grün-alternativen Bewegung Tips aus dem bürokratischen Apparat in den Sumpf geben, in den Gewerkschaften revolutionäre Wühlmäuse mit autonomen Militanten zusammenarbeiten, wenn in anderen legalen Bereichen Sympathisanten und Informanten sitzen, hat das nur gegenseitige Vorteile.

Wichtig für solche Bündnisse aber ist unsere Entschlossenheit, eigene Positionen, eine legale und illegale Praxis und Theorie zu entwickeln um nicht beim Reformismus oder bei politisierten Kackern zu enden.

Schafft viele autonome revolutionäre Zellen !!!
Reichtum für alle !!!
Autonome Revolutionäre Zelle
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